Für die Leipziger Messe – ein neues Konzept

von Wieland Zumpe (Vorsitzender des Wissenschaftszentrums Leipzig e.V.)


Die „Mutter der Messen“ hat viel durchlebt – das Anwachsen der Warenströme, den 
geschützten Warentausch trotz Kriegszeiten, die ersten Aufteilungen der Weltmärkte, 
die mehrfache Zerstörung der Stadt, den Übergang zur Mustermesse. 
Blüte- und Krisenzeiten wechselten in Leipzig einander ab.

Heute erleben wir abermals eine Bewährungsprobe für die Stadt. Neue Konzepte sind für die 
Leipziger Messe erforderlich. Analog dem Wandel von der Waren- zur Mustermesse vollziehen 
sich mit dem Abbau des Ost-West-Konfliktes wirtschaftliche Angleichungsprobleme, die 
vielschichtiger und umfassender sind als je zuvor.

Fachmessen können dies bei weitem nicht bewältigen. Die Schlüsselfrage für die Messestadt ist: 
Wie bekennt sich die Wirtschaft zu ihrem bewährten Standort? Für Leipzig müssen neue 
weltweite Entwicklungen geprüft und genutzt werden. Die primäre Frage richtet sich daher nach 
dem inhaltlichen Konzept, was insbesondere von Wirtschaftsfachleuten erarbeitet werden muß.

Leipzig stellte in seiner Geschichte als Messestadt einen Integrationsfaktor für Deutschland dar, 
der auch immer anderen Städten zugute kam. Darauf sollte man sich konzentrieren. Der Streit 
um Mockau verdeckt die eigentliche Problematik.

Ausbau zu einer ständigen Leipziger Messe?

Selbst dazu gab es in Leipzig schon Ansätze. Vorbild ist die Blütezeit der Pelzbranche. 
Zu Beginn dieses Jahrhunderts koppelte sich die Messe des Rauchwarengewerbes zunehmend ab 
und fand ganzjährig statt. Der Not des überhandnehmenden Andranges folgte die Lösung durch 
eine beständig währende Präsenz der Hersteller.

Der Übergang zu einer ständigen Ausstellungstätigkeit spielt nun international eine zunehmende 
Rolle. Besonders in den großen Städten der Vereinigten Staaten wie Dallas, Atlanta und New 
York prägten sich Konzepte der ständigen Messen wie die „Market Centers“ mit bestimmten 
Höhepunkten im Jahr („Apparel Mart“) und zusätzlichen Hotelausstellungen oder 
„Showrooms“. Unter dem Begriff „Trade Mart“ entstanden z.B. in Chicago und Montreal 
großflächige Handelsanlagen, die in abgewandelter Form auf den europäischen Kontinent 
wieder zurückkommen. In Brüssel existiert die derzeit größte europäische Einrichtung, die auf 
über 20 Hektar ausgebaut wird.

Was können diese Messeformen für Leipzig bringen?

Eine neue Form, die ständige Messe ! Ständige Produktvertretungen sind kundenfreundlich 
und marktnah; ein Erfordernis, besonders auch in den High-Tech-Bereichen der Elektronik und 
Computer, die zügig mit Produktneuheiten aufwarten.

Der Einzugsbereich dieser Messen staffelt sich in mehrere Stufen. Der engere Umkreis erfaßt etwa 
150-200 km, d.h. die neuen Bundesländer. Die weiteren Bezugsradien sind offensichtlich 
das Altbundesgebiet, dann Europa und schließlich der Weltmarkt. Der Wandel der Prioritäten zu 
dezentraler Ausrichtung und Mischung unterschiedlicher Einzugsbereiche gleicht lokale und
konjunkturelle Defizite besser aus und minimiert diese. Restriktive Branchentrennungen 
erübrigen sich.

Die Marktspezifika können sich selbstregulierend anordnen. Mit der ständigen Produktschau 
reduziert sich der Verkehr erheblich. Die bisherigen Ballungszeiten bestimmter Wochen im 
März, Mai oder September werden vermieden. Messegelände und Messehäuser werden 
ganzjährig genutzt, notwendige Investitionen amortisieren sich schnell. Die Aufgliederung nach 
Branchen stärkt die Einmaligkeit der Messestadt als Stadtmesse.

Ihr neues Gesicht unter den Messen der Welt als MM – menschliche Messe, als Messe 
der kurzen Wege, des vielseitiges Kontaktes, der Verbindungen von Geschäft und innerstädtischem 
Erleben ist geradezu eine Einladung für Investoren, ihre ausgewählten Dienstleistungs- und 
Produktionsstätten vor Ort zu verlegen. Die Abkehr von Globallösungen ist eine große Chance 
für Klein- und Mittelbetriebe, die das Messe-Know-How selbst akkumulieren; der Einzelhandel 
wird besonders profitieren. Jedes Herauslösen aus den gewachsenen marktwirtschaftlichen 
Strukturen bedeutet ein Auslagern des Messegeschäftes in ein künstlich geschaffenes Reservat, 
das mit anderen internationalen Messe-Reservaten niemals konkurrieren kann!

Stadtplanerische Erwägungen

Es bietet sich an, daß sich bestimmte Kernbranchen wie Konfektion, Schmuck und Lederwaren, 
ihrer gewachsenen innerstädtischen Position folgend, wieder in dortigen Messehäusern 
ansiedeln. Mit der Elektrotechnischen Ausstellung 1912 begründete die Technische Messe ihren 
Ruf als Multiplikator des Fortschritts. Sie wird dieser Bedeutung neu gerecht, wenn sie auf 
diesem umfänglichen Gelände die Vertretungen der unterschiedlichsten High-Tech-Branchen, 
wissenschaftlichen Gerätetechnik etc. Platz bietet. Der Anliegerbereich zwischen der Leipziger 
Universität, der Technischen Hochschule bzw. künftiger Fachhochschulen sowie den 
Medienstandorten „Deutsche Bücherei“ und des Mitteldeutschen Rundfunks im „Schlachthof“ 
ergibt eine einzigartige innovative Verbindung, die man sich nicht nehmen lassen darf.

Leipzig bietet die einmalige Chance eines gesamtstädtischen Messekonzeptes!

Man muß prüfen, wie weitere innerstädtische Gebiete (Tangenten zwischen Neuem Rathaus und 
Straße des 18. Oktober, zwischen Grimmaischem Steinweg und Technischer Messe) funktional 
ausgebaut werden können. Untersuchungen zu branchenorientierten Stadtteillösungen 
(Plagwitz-Kleinzschocher, Mockau-Wiederitzsch-Seehausen), werden dazu dienen, 
verkehrslastige und „gewichtigere“ Branchen von der Stadt abzuschirmen, so für Produkte 
des Transport- und Verkehrswesens sowie für Bau- und weitere Industriebranchen. Fachmessen 
werden auch weiterhin zur Messe gehören, aber sie können nur eines der zukünftigen 
Standbeine der Leipziger Messe sein.

Neue inhaltliche Profilierungen im Leipziger Zuschnitt

Die Strukturprobleme der neuen Bundesländer deuten an, daß man im Hinblick auf Osteuropa 
weitaus besser reagiert werden muß. Die Wirtschaft muß schneller auf aktuelle Entwicklungen 
eingehen können und so auch die Messe. Der Markteinstieg muß von Leipzig aus erfolgen, 
bevor Krakow oder Brno für diese Aufgabe bereit sind. Spezielle Wochen und Tagungen für die 
östlichen Länder, komplexe Angebote als Informations-, Transfer-, Entwicklungs- bzw. 
Lernmesse sind für Hersteller wie Händler und Ratsuchende eine Bereicherung.

Besonders marktträchtig sind langfristig Problemkenntnisse osteuropäischer Regionen in ihren 
übergreifenden Zusammenhängen. Gerade für diese Gebiete, wo handhabbare Rezepte fehlen, 
müssen unkonventionelle Wege gegangen werden. Ohne das Verständnis unterschiedlicher 
Kulturen sind Investitionshilfen und Marktentwicklungen wenig erfolgversprechend.
Einen Messe-Schwerpunkt sollte deshalb eine Messe der Infrastrukturen bilden.

Die Versammlung von Herstellern verschiedener Produktpaletten bietet ein vielseitiges 
Verständnis und klarere Perspektiven. „Wer in Leipzig zu spät kommt, der verpaßt das 
Ostgeschäft.“ – wird sich bestätigen.

Und für die Stadt ist es wünschenswert, diese Selbsthilfe auch als Hilfe für andere 
problematische Regionen zu betreiben, denn eine offene Messe ist besser als ein 
nichtkalkulierbarer Zustrom von Wirtschaftsflüchtlingen.

Leipziger Messe – ein Lebensbedürfnis

Für die „Trade Marts“ gäbe es viele Standorte, für das Ostgeschäft noch einige, aber zur 
Leipziger Messe gibt es mit ihrer Geschichte keine Alternative.

Über 800 Jahre Messe-Idendität – das ist mehr als sich ein „Meßfremder“ vorstellen kann. Von 
der Beherbergung der Messegäste, die sich unterscheidet von den anonymen Appartements und 
Hotels heutiger Zeit, bis zur obersächsischen Mundart, die viel von der Mentalität der Menschen 
vermittelt, gibt es unverwechselbare Merkmale, die mit den Grundstein für den Erfolg der 
Leipziger Messe legten.

Die Leipziger Messe war für Generationen ein herausgehobenes Erlebnis und soll es auch 
wieder werden. Gerade Leipzigs hohe Bebauungsdichte war Voraussetzung für die beispielhafte 
Integration von Wirtschaft, Wissenschaft, Kunst und Kultur. Man konnte sich in zahllosen 
Kneipen, Kränzchen, den Kirchen und den repräsentativen Kultureinrichtungen treffen. Als 
Messebesucher erlebte und nutzte man ausführlich die Möglichkeiten des Kennenlernens 
anderer Lebens- und Sichtweisen. Man hatte nicht nur den Fachhorizont im Blick.

Wertvolle Zeitzeugen der Messeentwicklung hat Leipzig zu bieten. Die vorbildliche 
städtebauliche Anlage der Technischen Messe ist mit ihren begleitenden Silhouetten vom Neuen 
Rathaus, über den Bayerischen Bahnhof, die Russische Kirche und das Völkerschlachtdenkmal 
einzigartig in den städtischen Bauentwicklungen. Es ist ein Stück Messe-, Technik- und
Menschheitsgeschichte zugleich. Und es käme wohl dem Abriß des Pariser Eiffelturms gleich, 
wollte hieran jemand z.B. durch Auslagerung etwas ändern.

Leipzig besitzt viele museale Schätze, die derzeit nicht zugänglich sind. Ein Messemuseum und 
andere Ausstellungsflächen sind dringend gefragt, um diese Werte erst einmal sichtbar zu 
machen. Es gibt bestimmt viele Ideen, die Leipziger Bürger mit beisteuern können. Wir sollten 
die Gunst dieser Geschichte nutzen, damit wir überholten Denkweisen postmoderner 
Technokraten gar nicht erst verfallen, die z.B. auf die Sekunden die Messeverbindungen 
errechnen und dann Stunden im Stau stecken oder die Flächenausdehnung unter startenden und 
landenden Flugzeugen vor städtischem Flair favorisieren.

Eine große Herausforderung wird der Bau neuer Messe-Erweiterungsbauten. Wenn die 
funktionalen Profile erarbeitet sind, gilt es, vom Stadtinneren ausgehend und unter Vermeidung 
einer großstädtischen Zersiedelung neue unverwechselbare städtebauliche Wahrzeichen zu 
finden, die sich den Lösungen der Vorgängergenerationen wie Albert Geutebrück, Arwed 
Roßbach und Hugo Licht würdig erweisen.

Europa 1992 braucht entscheidende Impulse. Leipzig, die Stadt, die aus innerer Kraft immer 
wieder vorausschauende und dabei maßvolle Entscheidungen fand, kann Wegweiser für ein 
städtisches Leben in neuer Qualität sein. Mit einer „menschlichen Messe“ ist ihr die Zukunft 
gewiß.
									Leipzig, den 26.09.1991

Literatur :

Ernst Hasse
Geschichte der Leipziger Messen
Leipzig : Hirzel 1885

Durch Leipzig und die Bugra
Magdeburg : Faber 1914

Die Leipziger Messe während des Krieges
Deutschland , Zeitschrift für Heimatkunde und Heimatliebe
Leipzig : J.J.Weber VIII. Jg. Nr. 4 , 22. Februar 1917

Jean Beck
Von Deutschlands Industrien und Kunstgewerbe auf der Leipziger Messe
Leipzig : Spamer 1918

Die Leipziger Messe während des Krieges
Deutschland , Zeitschrift für Heimatkunde und Heimatliebe
Leipzig : J.J.Weber IX. Jg. Nr. 4 , 21. Februar 1918

Die Leipziger Mustermesse , Export-Ausgabe
Amtliche Zeitung des Messeamtes für die Mustermessen in Leipzig
München : F.Bruckmann 1.Jg. Nr.1, März 1918 ,

Dr.Walter Lange/ Dr.Andreas Paulsen
Deutsche Jubiläumsfirmen , Handelskammerbezirk Leipzig
(Hrsg. Deutscher Jubiläums-Verlag)
Leipzig: Rege 1925/26

Aus Leipzigs Handels- und Verkehrsgeschichte
(Hrsg. Bezirksverwaltung des Deutschen Verkehrsbundes)
Berlin : Courier 1928

Dr.Walter Scheidig
Die Leipziger Messe
Leipzig : J.J.Weber 1938

Ekko Flick
Outlet-Center - Trade Mart
Stuttgart : Forum , in : Der Architekt 7-8/ 1989

Dan A. Eggert/ John L. Gornall
Handbuch USA-Geschäft
Wiesbaden : Gabler 1989

Georg Küffner/ Joachim Mortsiefer (Hrsg.)
Messeplatz Europa
Frankfurt am Main : FAZ 1990


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