Studentenarbeiten

 

Das Kolloquium "Fechner und die Folgen außerhalb der Naturwissenschaften" sollte verdeutlichen, dass Fechner nicht nur in den Naturwissenschaften ein Vordenker für das 20. (und 21.) Jahrhundert war, sondern dass er auch für Philosophie, Kunstwissenschaft, Theologie, Literaturwissenschaft, Sprachwissenschaft und andere Fächer von Bedeutung ist und dass die Schätze seines Denkers noch lange nicht vollständig gehoben sind. Die Präsenz Fechnerscher Gedanken für die geisteswissenschaftliche Öffentlichkeit aus dem Verborgenen zu holen war Anliegen des Kolloquiums. Diesem Anliegen ist die Veranstaltung in vieler Hinsicht gerecht geworden. Es wurde nahezu in jedem Beitrag deutlich, wie Fechnersche Gedankengänge auf dem jeweiligen Gebiet weitergewirkt haben und wie sie sich in teils überraschender Weise in heutigen Überlegungen als Anregung wiederfinden lassen. Vertreterinnen und Vertreter der Fächer Philosophie, Religionswissenschaft, Kulturwissenschaft, Mathematik, Geschichte, Wissenschaftsgeschichte, Archivwissenschaft, Literatur- und Sprachwissenschaft äußerten sich zu den heute noch relevanten Fragestellungen und Anregungen, die die jeweiligen Wissenschaftsdisziplinen Fechner verdanken, so in einer regen Diskussion zu dem zeichentheoretischen Ansatz, den man bei Fechner entdecken kann.

 

Bildnerischer Versuch einer Annäherung an Fechner

"Gleich hellwach" wurde Renate Herfurth vom Institut für Kunstpädagogik, wie sie zur Eröffnung der Ausstellung "summa summarum" in der Villa Tillmanns berichtete, als sie von Frau Prof. Fix vom geplanten Fechner-Kolloquium erfuhr. Denn: "Interdisziplinäres Arbeiten ist mein erklärtes Ziel in der Ausbildung der Studenten." Als es dann in einem gemeinsamen Seminar von Kunstpädagogen und Germanisten Zustimmung auch von studentischer Seite gab, sich mit der faszinierenden Person und dem facettenreichen Werk Fechners bildkünstlerisch auseinanderzusetzen, war der Weg frei für das Projekt "Bildnerischer Versuch einer Annäherung an Gustav Theodor Fechner". Wie Frau Herfurth sagte, entstanden angeregt durch seine Schriften - sogar in der vorlesungsfreien Zeit! - über 50 Arbeiten, von denen eine Jury 17 für die Ausstellung auswählte. Unterschiedliche Techniken sind vertreten: Federzeichnung, Aquarell, Objekt, Fotografie, Tempera- und Acrylmalerei, Mischtechnik und Collage.

Behandelt wurden Themen wie Goldener Schnitt, Briefe Fechners, Engel, Kopf und Hand, Sprüche und Epigramme; und ganz vorn in der Beliebtheitsskala rangierte der Mond.

Renate Herfurth zur Ausstellungseröffnung: "Wie wir wissen, hat sich Fechner intensiv mit der Betrachtung von Kunstwerken auseinandergesetzt. Und was sagt der Maler Emil Schumacher zu diesem Sachverhalt?

Der Betrachter muss mit dazu beitragen, das Bild zu bilden. Das Bild ist keine vollendete Tatsache, sondern etwas, das sich stetig entwickelt, damit es uns zu immer neuen Entdeckungen verhilft.

Die Auseinandersetzung mit der sinnlichen Präsenz der Dinge gewinnt wegen der heute üblichen Abstraktionsvorgänge gegenüber der Wirklichkeit eine wichtige Rolle. Es wird auf einen Stellenwert der Dinge verwiesen, der im Bereich persönlicher Erfahrung liegt.

Schöpferische Ideen können sprudeln oder durch andere - in diesem Fall sind es die Texte Fechners - ausgelöst werden. Dinge werden beobachtet, registriert, ironisiert oder verfremdet. Sie sind gut, wenn sie der Eindeutigkeit eine Absage erteilen und über die Natur der Dinge nachdenken lassen."

Die nachfolgend abgebildeten Ergebnisse wie auch die Beschreibung des künstlerischen Projektes durch die Studierenden geben einen Eindruck davon.

Aber zunächst noch einmal Fechner im Original; über einen Gesprächspartner sagt er in seinem Tagebuch: "Er unterschied im Gespräche die Dresdner und Leipziger als Augen- und Ohrenmenschen. Jene lebten mehr in Kunst- und Naturanschauungen, mit diesen ließe sich mehr über Dinge, die man nicht sehen könne, sprechen". So oder so - über die studentischen Arbeiten lässt sich sprechen und vielleicht auch streiten.

 

Arbeiten der Kunstpädagogik-Studenten

 

Ausgewählte Beispiele

Der Mond- und die Tages- und Nachtansicht

Bevor man ans Werk gehen konnte, musste man sich mit der vielseitigen Persönlichkeit Fechners vertraut machen - und es gab viel zu entdecken. Fechners Schriften zur Ästhetik, seine philosophischen Betrachtungen und seine Gedichte boten verschiedenste Anhaltspunkte. Besonders beeindruckten mich zunächst Fechners Überlegungen zum Mond. Erste Ideen und Skizzen entstanden, und ich war mir sicher, dass der Mond mich in meiner bildkünstlerischen Arbeit "begleiten" würde. Fechners philosophisches Hauptwerk von 1876 "Die Tagesansicht gegenüber der Nachtansicht" war dann Ausgangspunkt für meine Arbeit. Ich habe versucht, den Mond in diese Thematik einzubeziehen, denn er ist besonders nachts, aber durchaus auch am Tage sichtbar, und er beeinflusst, begleitet und bewegt die Menschen und deren Umwelt auf unterschiedlichste Weise. Meine Collagen versuchen, die Stimmungen der Tages- bzw. Nachtansicht aufzunehmen und an den Betrachter heranzuführen.

Anja Göthe

 

Phantasie, Sehschwäche und sinnliche Sprache

Besonders anregend für eine künstlerische Auseinandersetzung ist Fechners intellektuelles Vorstellungsvermögen und seine ausgeprägte Phantasie (trotz oder wahrscheinlich gerade wegen einer Sehschwäche), die sich in seiner metaphorischen und sinnlichen Sprache niederschlagen. Diese lässt innere Bilder und Ideen, die dann nur noch der bildnerischen Umsetzung bedürfen, wie von selbst entstehen. Wahrnehmung und Umsetzung innerer und äußerer Gegebenheiten und Befindlichkeiten stehen nicht nur im Mittelpunkt der künstlerischen Ideensuche und ihrer Umsetzung, sondern bilden auch einen methodischen und inhaltlichen Schwerpunkt in Fechners Werk. Dieser Bezug zwischen künstlerischer Arbeit und Fechners Werk machen eine künstlerische Auseinandersetzung mit ihm besonders fruchtbar.

Britta Awe

 

Sprüche mit Augenzwinkern

Ich begann im "Eigenstudium" mich mit dem Leben und Wirken von G. T. Fechner, einer mir bis dahin unbekannten Größe, auseinanderzusetzen. Die Vielseitigkeit Fechners zeichnet sich durch eine enorme Anzahl von Schriften ab, die voller Anregungen und Angebote für eine bildnerischkünstlerische Arbeit sein können. So finden sich neben einer Beweisführung, weshalb der Mond aus Jodinen bestehen muss, Ausführungen zur Ästhetik, Angaben über die Anatomie von Engeln (die, wie wir jetzt wissen, von kugeliger Gestalt sind und mit Hilfe von Farbtönen Konversation betreiben) und nicht zu vergessen die zahlreichen Sprüche und Aphorismen, die zumeist mit einem gewissen Augenzwinkern versehen sind. Und gerade jenes Augenzwinkern veranlasse mich (u.a.), einen Spruch aus der Sammlung "Für's Tischlein ein Wischlein" aufzugreifen, mit dem Anliegen, jenem auch bildnerisch gerecht zu werden...

Ivonne Fleischhauer

 

Krebs

Ich hatte weder Geschick noch Glück,

Statt vorwärts ging es gleich anfangs zurück;

Doch sicher gelingt es dem Krebse noch,

Daß er zuletzt kommt in sein Loch.

Die Welt jenseits der Gesetze Ich stellte fest, dass Fechner ein sehr ehrgeiziger, wissbegieriger, vielseitiger und facettenreicher Mensch gewesen ist und sich auf den unterschiedlichsten Gebieten, wie den Naturwissenschaften, der Philosophie und der experimentellen Ästhetik, verdient machte.

Um so mehr erstaunte mich die Tatsache, humoristische und satirische Schriften vorzufinden. Ich empfand diese Gedichte, Sprüche und Epigramme heiter, vielsagend, weltoffen und inhaltlich treffend formuliert. Sie verweisen auf eine andere Seite Fechners, die der Welt der Gesetze und Experimente entgegensteht.

So näherte ich mich auf dieser Ebene Fechners Arbeiten und habe mit Freude Auszüge aus der Gedichtreihe "Der Wein" kalligraphisch umgesetzt. Ich verwendete für die bildnerische Gestaltung eine Mischtechnik aus Temperafarben, Tusche und Collage.

Anette Kosin