Die moderne
Physiologische Psychologie
in Deutschland.
Eine historisch-kritische Untersuchung mit besonderer Berücksichtigung des Problems der Aufmerksamkeit, Von W. Heinrich. Zweite, teilweise umgearbeitete und vergrösserte Ausgabe. Zürich. Verlag von E. Speidel. 1899. Vorwort. Die Aufmerksamkeit bildet noch immer ein Problem, das seiner Lösung harrt, und um welches der Kampf sehr stark entbrannt ist. Auch mein Wunsch war, die Begründung einer neuen Theorie zu versuchen. Die immer wachsende Anzahl der bereits vorhandenen zwang aber zuerst zu einer Übersicht des Bestehenden. Es galt zuerst das Vorhandene durchzusehen, das Falsche bis zu seinem Ursprung zu verfolgen. Die große Anzahl der Nebenfragen, die dabei entschieden werden mussten, gab der Arbeit eine Ausdehnung, die über die zuerst gefasste Absicht weit hinausgegangen ist. Und so habe ich mich entschlossen, die historische Untersuchung dem Positiven voraus zu schicken. Das hat mir die Möglichkeit gegeben, zu Manchem Stellung zu nehmen und Manches zu berücksichtigen, was bei einer Aufmerksamkeits- Theorie schwer beachtet werden konnte, und machte es mir leichter bei der Kritik, mein Eigenes zu sagen. Und nun die Kritik. Wie sollte diese ausgeübt werden ? Es würde leicht gewesen sein, der fremden Meinung seine eigene gegenüber zu stellen, das an ändern zu verdammen, was nicht mit der eigenen Ansicht übereinstimmt. Zu dieser Methode konnte ich mich nicht entschließen. Es galt vielmehr, einen objektiven Maßstab zu finden und an diesem jede Theorie zu messen. Als solcher Maßstab konnte nur das Gesetz des psycho-physischen Parallelismus dienen. Die psychischen und physischen Vorgänge mussten als gesonderte, aber parallel verlaufende Reihen betrachtet werden, und es ist nun zu entscheiden, in wie fern die Psychologen, die ja alle den psychophysischen Parallelismus theoretisch anerkennen, ihm auch praktisch treu geblieben sind. Ich glaubte auch, dieses Gesetz in der allgemein anerkannten Form als Maßstab nehmen zu müssen, wie gerne ich ihn auch in dem am Ende der Arbeit entwickelten Sinne verändert hätte. Die historische Einleitung verfolgt den Zweck, die historisch nach einander folgenden Problemstellungen zu erläutern. Zürich, im November 1894. Dr. W. Heinrich. Vorwort zur zweiten Ausgabe Die vorliegende Ausgabe unterscheidet sich durch wenige Änderungen. Einer Umarbeitung wurde „Wundt“ unterzogen, wobei jedoch der „Grundriss der Psychologie" nicht berücksichtigt wurde. Ich habe dies absichtlich nicht getan, weil das Buch außerhalb des Rahmens der physiologischen Psychologie steht. Aus demselben Grunde wurde früher wie auch jetzt die Tonpsychologie von Stumpf nicht erwähnt. Nachgetragen habe ich die Besprechung von Exner. Auf die Psychologie von Ebbinghaus konnte, da dieselbe nicht abgeschlossen ist, nicht eingegangen werden. Neu ist das ganze Schlusskapitel. Die erste Ausgabe der Arbeit wurde neben vielen wohlwollenden Besprechungen einem Angriff von Külpe ausgesetzt, der abgesehen von einer das literarisch Zulässige überschreitenden Form, auch inhaltlich von Unrichtigkeiten überfüllt ist. Ich habe einige im Anhange berichtigen müssen und möchte noch hinzufügen, dass ich fortan auf derartige Angriffe überhaupt nicht mehr reagieren werde. Krakau, im Oktober 1898. (Physikalisches Institut) W. Heinrich. Inhaltsverzeichnis Seite Einleitung l Fechner und v. Helmholtz 38 G. E. Müller und Pilzecker 65 Wundt 80 N. Lange 125 Külpe 130 Münsterberg 153 Ziehen 174 Richard Avenarius 193 Exner 210 Schlussbemerkungen 232 Namen- und Sachregister 243 Anhang 247